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Ist Bedürfnisabklärung im Verkauf tot?

Vor rund 50 Jahren ist die Bedürfnisabklärung im Verkauf in den USA und später auch in Europa mit den unterschiedlichen Fragetechniken zu einer der wichtigsten Fertigkeiten im Verkauf aufgestiegen und sie hat sich, mit ein paar Schwankungen, bis heute gehalten. Jeden Tag stellen wir den Kunden spannende Fragen, um zu verstehen, was sie brauchen und was sie bewegt.

 

Wandel durch Digitalisierung

Mit der Digitalisierung hat sich auch das Kundenverhalten verändert. Kunden sind heute sehr gut informiert, werden durch die vielen Information sowie Vergleichbarkeit der Produkte oder Dienstleistungen aber unsicherer und fühlen sich in ihrer Kaufentscheidung oft überfordert.

 

Aber was, wenn Kunden heute gar nicht genau wissen, was sie wirklich brauchen,  und was, wenn es ihr eigentlich grösstes Bedürfnis ist, dies herauszufinden?

 

Wenn dem so ist, dann wollen unsere Kunden heute von VerkäuferInnen auch inspiriert werden. Sie wollen nicht nur Lösungen, sie wollen vor allem Mehrwert kaufen. Sie brauchen Orientierung, Entscheidungshilfen und jemanden, der ihnen Arbeit abnimmt. Es ist heute nicht nur wichtig, was man verkauft, sondern vor allem wie man dies tut: Erst der Verkaufsberater schafft das Alleinstellungsmerkmal, macht den entscheidenden Unterschied.

 

Solution-Selling Modell

In diesem Umfeld hat CEB (Council of Europe Development Bank) vor einiger Zeit eine wohl einmalige Untersuchung gestartet. Sie befragte über mehrere Jahre Zehntausende von Verkaufsberatern und erarbeitete eine der wichtigsten Studien über Verkaufserfolg und wie er zustande kommt.

 

Die sogenannte Challenger Studie[1] weist auf eine enorme «Talentschere» hin. Sie zeigt, dass im transaktionsorientierten Produktverkauf (klar erkennbaren Bedarf an Standardprodukten) die Differenz zwischen durchschnittlichen und herausragenden Leistungen bei Verkaufenden 59% beträgt, wo hingegen Unternehmen mit dem Solution-Selling Modell (individualisiertes Lösungsangebot) die Topverkäufer den Durchschnitt um fast 200 % übertreffen.

 

Den Anschluss an die Spitze zu finden, ist mit dem Lösungsverkauf anscheinend viel schwieriger. Solution Selling war der richtige Weg, um auch in Krisenzeiten erfolgreich zu verkaufen und Kunden dauerhaft zu binden. Mittlerweile bedeutet dieses Vorgehen aber einen unverhältnismässig hohen Betreuungsaufwand, der Verkaufende an ihrer Weiterentwicklung hindert. Zeit, die für die eigentlich wichtigen Tätigkeiten, Neuakquise und Verkauf, verloren geht.

 

Daher ist es wichtig, neue Fertigkeiten im Verkaufsgespräch einzusetzen. In der erwähnten Studie hat sich u. a. herausgestellt, dass die erfolgreichsten Verkaufenden, die sogenannten Challenger, keine erstklassigen Fragesteller sind. Sie zeigen ihren Kunden, was sie brauchen – sie verkaufen Lösungen. Die Studie spricht bei den Challengern gleichzeitig von «Lehrmeistern». Nach meiner Meinung sind die Begriffe, gerade im Deutschsprachigen Raum, heute eher negativ besetzt. Ich glaube auch nicht, dass Kunden «belehrt» werden wollen, daher spreche ich lieber von Inspiratoren.

 

Überzeugung durch Inspiration

Diese Inspiratoren überzeugen nicht dadurch, dass Sie die Welt ihrer Kunden genauso gut verstehen wie die Kunden selbst, sondern dadurch, dass sie die Welt des Kunden in bestimmten Bereichen besser verstehen, als die Kunden selbst. Sie inspirieren sie dahingehend, dass den Kunden klar wird, was sie nicht wissen, aber wissen wollen und sollen.

 

Bei den Inspiratoren wird die Fertigkeit der «Erkenntnisvermittlung» signifikant mehr eingesetzt. Es spielte in der Studie keine Rolle, wie gut die Verkaufenden im Präsentieren waren. Es gab z.B. einen Kunden in der Studie, der erzählte, dass es sich bei vielen Verkaufenden nicht lohne zuzuhören und er sich langweile, wenn man ihm sage, dass das Modell ABC, X Sekunden schneller sei und dabei weniger Strom verbrauche und weniger gewartet werden müsse. Der gleiche Kunde erzählte auch, dass es nur die Inspiratoren geschafft hätten, ihm solch interessante und wertvolle Informationen mitzugeben, dass er bereit gewesen wäre, selbst für das Gespräch zu bezahlen. Diese Aussage zeigt klar, dass Kunden das Kauferlebnis einiger Lösungsanbieter als Zeitverschwendung wahrnehmen und bei anderen sogar noch Geld für das Verkaufsgespräch bezahlen würden.

 

Da müssen Sie als Verkaufender hin: Wenn Ihre Kunden bereit sind, für das Verkaufsgespräch schon zu bezahlen, dann haben Sie’s geschafft.

 

7 hilfreiche Tipps

Darum machen Inspiratoren in der «Erkenntnisvermittlung» folgendes:

 

Sie …

1. bieten einzigartige und wertvolle externe Perspektiven auf den Markt des Kunden.

2. helfen den Kunden, sich unter den Alternativen zurechtzufinden.

3. bieten kontinuierliche Beratung an.

4. machen Kunden auf potenzielle Fehler und Risiken aufmerksam.

5. zeigen den Kunden neue, künftige Probleme und Entwicklungen auf.

6. vermitteln das Gefühl, dass man bei ihnen unkompliziert (ein-)kaufen kann.

7. finden im Kundenunternehmen eine breite Unterstützung.

 

Wenn Sie sich kurz auf die ersten fünf Schlüsselfertigkeiten fokussieren, dann fällt Ihnen auf, dass diese Fertigkeiten direkt das dringende Bedürfnis des Kunden ansprechen, nicht etwas zu kaufen, sondern etwas zu erfahren. Matthew Dixon und Brent Adamson schreiben dazu in Ihrem Buch zur Studie: «Kunden suchen nach Lösungsanbietern, die ihnen dabei helfen, neue Möglichkeiten zur Kosteneinsparung zu entdecken, die Umsätze zu erhöhen, neue Märkte zu erobern und das Risiko im Rahmen zu halten, und zwar mit Mitteln und auf Wegen, die sie selbst bisher noch nicht erkannt haben.»

 

Tatsächlich ist erfolgreiches Verkaufen das Ergebnis eines Lernprozesses und der Ausarbeitung von Kompetenzen – eine Erkenntnis, die übrigens auf die 1920er Jahre zurückgeht, als E. K. Strong das Buch «The Psychology of Selling and Advertising» veröffentlichte.

 

Natürlich müssen Lösungsanbieter grossartige Produkte, Marken und Dienstleistungen anbieten. Ich behaupte, dass sie dies schon tun, denn sonst würden die Kunden gar kein Gespräch mit ihnen führen wollen. Was die besten Anbieter vom Rest abheben lässt, ist nicht die Qualität ihrer Produkte oder Dienstleistung, sondern einfach der Wert der neuen Erkenntnisse. Die Inspiration der neuen Ideen, die den Kunden dabei unterstützen, entweder Geld zu verdienen oder es zu sparen – so wie er es nicht erwartet hätte.

 

Die Bedürfnisabklärung lebt weiter

Als Verkaufende müssen wir aufhören, die Zeit unserer Kunden zu verschwenden. Wir sollten unsere Kunden im positiven Sinne, mittels der Erkenntnisvermittlung, herausfordern und ihnen mittels Storytelling inspirierende Geschichten über Neues erzählen. Was nicht heisst, dass die Bedürfnisabklärung tot ist. Es gibt Branchen, in denen die Bedürfnisabklärung resp. Klärung der Ausgangslage entscheidend ist, da sie beispielsweise stark reguliert oder überwacht sind. Sie hat sich ein stückweit in die Vorbereitungsarbeit des Verkaufenden verlagert und nimmt während des Gesprächs nicht mehr so viel Raum ein.

 

Versuchen Sie dies, wie viele andere Inspiratoren zu Beginn auch. Üben, üben und nochmals üben, dann kommen die ersten Erfolge.

 

Informationen zu «Neukunden gewinnen über Weiterempfehlung» finden Sie hier.

Informationen zu «Verkaufstraining B2C» finden Sie hier.

 

Dieser Artikel wurde verfasst von Urs Saladin.

Urs Saladin

 

[1] „The Challenger Sale“ ist der Titel eines Buches von Matthew Dixon und Brent Adamson in Kooperation mit dem Unternehmen CEB, das 2016 in 2., aktualisierter und überarbeiteter Auflage erschienen ist. 

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